Europäische Diplomatiegeschichte made in Worms / Besondere Bedeutung von Archiven
Stadtarchiv erwirbt wertvolle Dalberg-Dokumente
Präsentieren die schönsten Stücke des jüngsten Erwerbs fürs Stadtarchiv: (Von links) Dr. Gerold Bönnen, Oberbürgermeister Michael Kissel, Dr. Josef Mattes und Joachim Schalk (Altertumsverein) und Bürgermeister Hans-Joachim Kosubek. Foto: Regina Urbach
VON REGINA URBACH Im September 2016 erwarb das Stadtarchiv etwa 100 Archivalien aus dem ehemaligen Bestand des Schlosses Herrnsheim, die sich zwischenzeitlich in Privatbesitz befunden hatten. 13.800 Euro verlangte das Berliner Auktionshaus Stargardt für die über 30 Urkunden und sonstigen Dokumente aus dem 15. bis 19 Jahrhundert, die nun der Forschung zur Verfügung stehen. Bei der Präsentation der Pergament-Originale mit zum Teil beeindruckenden Siegeln äußerten Oberbürgermeister Michael Kissel und Archivleiter Dr. Gerold Bönnen Dankbarkeit gegenüber dem Altertumsverein, vertreten durch Dr. Josef Mattes und Joachim Schalk. Denn dieser übernahm neben der Vorfinanzierung auch einen Zuschuss von 3.800 Euro zu dem Kauf. Optische „Highlights“ der Dokumente aus dem ehemaligen Besitz der Dalberger sind eine Bulle von Papst Clemens XIII. aus dem Jahre 1758, ein Ehevertrag aus dem Jahre 1565 oder eine grafische Darstellung zum historischen Verlauf des Eisbachs. Für die bevorstehende Sanierung des Herrnsheimer Schlosses ist ein Inventar von 1825 von praktischem Wert: „Hier ist jedes Gemälde, jedes Tischchen verzeichnet“, schwärmt Dr. Bönnen. Da der Archivbestand aus Herrnsheim nun so gut wie vollständig wieder in Worms ausgewertet werden kann, steht auch einer neuen Gesamtdarstellung über das Empireschloss nichts mehr im Wege, hoff Dr. Bönnen.
Bereits jetzt zieht das Stadtarchiv auch internationale Forscher an, die hier Material zur Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts (etwa der Heylschen-Luxuslederproduktion), aber auch zur europäischen Diplomatiegeschichte finden. Wie bedeutsam die Dalberger für Europa waren, war Bürgermeister Hans-Joachim Kosubek einen Exkurs wert. Die Archivalia waren bereits im Stadtarchiv digital dokumentiert worden. Doch erst ihre physische Verfügbarkeit erlaubt eine Verwendung zu Forschungszwecken, denn Beschreibung und Fotografien ersetzen keine Originallektüre. Auch stimmt es nachdenklich, dass 400-jährige Pergament-Originale heute problemlos lesbar sind, was für Dateien auf 20 Jahre alten Speichermedien nicht unbedingt gilt. Angesichts dieses häufig mit „digitaler Amnesie“ bezeichneten Phänomens könnte unseren Archiven künftig eine ganz andere Bedeutung zukommen.