Von Rudolf Uhrig › Die Berufsinformationsmesse verzichtet nicht auf das „Zeremoniell“ einer offiziellen Eröffnung, wie es anderenorts schon abgeschafft wurde. Es ist nicht Selbstzweck oder „Schaulaufen“, es ist den Machern wichtig, alle Beteiligten in den Firmen, den Institutionen und der Politik zusammenzuführen, damit sie sich austauschen und auch netzwerken können.
Insofern befand die Wormser Bürgermeisterin Stephanie Lohr, dass die BIM ein echtes Erfolgsprodukt über die Jahre hinaus ist und bleibt. „Die Menschen kommen ins Gespräch und sind im Dialog, was die digitale Welt nicht kann“, damit erteilt sie den Befürwortern, dass das doch auch digital über tiktok oder mit Avataren geht, eine klare Absage. „Wer im Beruf seine Bestimmung finden will, der muss und soll ins Gespräch kommen. Nichts ist überzeugender als Mitarbeiter, die hautnahe und aus der Praxis berichten können.“ Immer wieder, so hört sie, berichten Azubis und auch Ausbilder aus den Betrieben, dass gerade das persönliche Gespräch, auch und gerade auf der BIM, entscheidend war.
„Tage und Veranstaltungen wie die BIM sind wichtig und Zeichen dafür, dass unsere Wirtschaft hier in Worms und Rheinhessen immer noch gut aufgestellt, divers und vielfältig ist und sich den Herausforderungen stellt.“
Den Schülerinnen und Schülern, den jungen Menschen rief sie zu: „Breitet die Flügel aus, probiert euch aus, kommt ins Gespräch, testet, nutzt die Chancen. Der Beruf ist Teil unseres Lebens, es soll etwas sein, was bereichert und Sinn stiftet, daher geht auf Erkundungs- und Entdeckungsreise!“
Zuvor zeichnete IHK-Vizepräsident Michael Kunden ein ernüchterndes, gar dramatisches Bild. „3.455 Ausbildungsstellen waren 2024/25 in Rheinhessen gemeldet; 250 weniger als im Vorjahr. Zum 30. September waren 449 Stellen unbesetzt, aber gleichzeitig suchten noch 216 einen Ausbildungsplatz.“
Und der IHK-Vize weiter: „2,86 Millionen junger Menschen unter 35 Jahren in Deutschland haben keinen Berufsabschluss und sind damit auf Helfertätigkeiten angewiesen. Über eine viertel Million Jugendliche sind nach der Schule in sog. Übergangsmaßnahmen eingemündet, ohne Ausbildung. Allerdings wären viele, so die Bertelsmannstiftung, dennoch ausbildungsreif. Auch sinkt die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen erneut. 18,8 Prozent weniger als zuvor“, das heißt so Kundel weiter, „jedes fünfte Unternehmen bildet nicht mehr aus. Die Abbruchquote liegt bei 30 Prozent, also jede dritte Ausbildung wird nicht mehr abgeschlossen. Gleichzeitig berichten die Unternehmen von Personalproblemen und Fachkräftemangel. Das ist ein Weckruf an alle“, so der ehemalige CEO von Renolit SE.
„Die Entwicklung zeigt fehlende Auszubildende auf der einen Seite und unversorgte Jugendliche auf der anderen Seite, das passt doch nicht zusammen“, ist Kundel glasklar in seiner Analyse. „Was ist zu tun – u.a. Veranstaltungen wie diese heute auszurichten, sie schafft Orientierung, sie baut Schwellenängste ab und bringt junge Menschen mit den potentiellen Ausbildungsunternehmen direkt in Kontakt.
Unsere Gesellschaft steht unter hohem Veränderungsdruck, wirtschaftlich, politisch, aber auch gesellschaftlich und demografisch. Umso wichtiger ist es, jungen Menschen durch Ausbildung echte Perspektiven zu eröffnen. Denn Ausbildung ist weit mehr als der bekannte Einstieg in das Berufsleben, sie ist das Fundament für wirtschaftliche Stabilität aber auch des sozialen Zusammenhalts unserer Gesellschaft“, so Kundel und er schließt dennoch sehr positiv, denn „die Berufsinformationsmesse ist ein sehr starkes Signal unserer Betriebe hier in der Region und auch überzeugender Beleg für deren Leistungsfähigkeit.“
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