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08.10 Uhr | 16. September 2023
WORMS: „Initiative Klimaschutz Mittelhahntal“ spricht sich gegen eine Bebauung des geplanten zentrumsnahen Gewerbegebiets aus

„Klima schützen und Lebensqualität steigern“

Hinter dem Kreisel Kirschgartenweg/Zubringer weist ein Plakat auf das geplante Gewerbegebiet hin. Am Schlamm und den umgeknickten Pflanzen konnte man gestern noch deutlich die Auswirkungen des jüngsten Unwetters am Dienstagabend erkennen. Foto: Robert Lehr

Hinter dem Kreisel Kirschgartenweg/Zubringer weist ein Plakat auf das geplante Gewerbegebiet hin. Am Schlamm und den umgeknickten Pflanzen konnte man gestern noch deutlich die Auswirkungen des jüngsten Unwetters am Dienstagabend erkennen. Foto: Robert Lehr

Von Robert Lehr › Für den Deutschen Wetterdienst sind Extremwetter „Ereignisse, die abhängig von Ort und Jahreszeit sehr selten oder außergewöhnlich sind“. Insofern gebe es sehr unterschiedliche außergewöhnliche Wetterlagen. Dazu zählten z.B. Starkregen. Und Hagelereignisse oder eine besonders hohe Windgeschwindigkeit. Folgt man dieser Definition, so war Worms innerhalb der letzten 3 Wochen sogar mehrfach von Extremwettern betroffen. War es zunächst ein erster Hagelniederschlag, der sehr lokal vor allem dem Weinbau zusetzte, aber am Dienstagabend von einem weitaus stärkeren Hagelsturm noch getoppt wurde. Dessen „Körner“ waren teils Golfballgroß und richteten größten Schaden an.

Tiefrot war die Gewitterzelle über Worms am Mittwochmorgen auf der Wetterkarte des ARD Morgenmagazins, wobei Meteorologe Stefan Laps die Rekord-Windgeschwindigkeit von 107 km/h hervorhob, die in Leiselheim während des Hagelsturmes gemessen wurde.  

In der Wissenschaft besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass solche lokalen Extremwetter auch im Zusammenhang mit dem globalen menschengemachten Klimawandel stehen.  

Breites Bündnis
Auch für die „Initiative Klimaschutz Mittelhahntal“ stehen das Handeln vor Ort und dessen Auswirkungen im Lokalen wie Globalen in direktem Zusammenhang. Vor allem gilt es für den 2021 gegründeten Zusammenschluss der beiden Wormser Umweltverbände NABU Worms-Wonnegau und dem BUND-Kreisverband Worms bereits im Kleinen alle Mittel zu ergreifen, um den Klimawandel zu verlangsamen und die Lebensqualität vor Ort zu erhalten bzw. zu steigern.

Denn laut eines Beschlusses des Wormser Stadtrates soll in einem 43 ha großen Gebiet zwischen Kolpingstraße, Kirschgartenweg, B47 und Renolit – dem Mittelhahntal – ein neues Gewerbegebiet entstehen. Dem widersprechen Kerstin Janneck (BUND), Marco Lenck (NABU) und Michael Leukam (BUND) als Sprecherinnen und Sprecher der Initiative, die derzeit von 28 weiteren Wormser Körperschaften unterstützt wird. Starken Rückenwind erfährt die Initiative aus der Bürgerschaft, wobei bereits über 3.360 Wormserinnen und Wormser bei einer Unterschriftenaktion für einen Einwohnerantrag gegen das geplante Gewerbegebiet unterschrieben haben.

„Entwicklung nicht möglich“
Die Stadt argumentiere zwar, „dass ohne das geplante Gewerbegebiet Mittelhahntal eine Entwicklung der Stadt nicht möglich sei“, so Marco Lenck, doch in entsprechenden Beschlussvorlage des Stadtratsbeschlusses würden von der Stadtverwaltung selbst die Folgen für den Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel und die Luftqualität bzw. das Stadtklima dreimal negativ bewertet, „im Klimakonzept Innenentwicklung wird die Fläche als wichtige Luftleitbahn und Frischluftentstehungsfläche ausgewiesen“. Eine Bebauung werde dort als sehr ungünstig klassifiziert, ergänzt Michael Leukam, denn ebenfalls im Klimakonzept Innentwicklung sei nachzulesen, dass Worms zu den wärmsten und trockensten Städten Deutschlands zähle. Weiter heiße es dort, dass mit einer Verdoppelung bis Vervierfachung der Hitzewetterlagen in Worms zu rechnen sei. Für Kerstin Janneck ist demnach klar: „Wenn man Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz ernst nimmt, darf man das Mittelhahntal nicht bebauen“.

„Nicht gegen Gewerbe“
„Wir sind nicht gegen die Erweiterung Wormser Unternehmen oder gegen die Ansiedlung von Startups – im Gegenteil“, unterstreicht Marco Lenck die konstruktive Kritik der Initiative. Aber diese bräuchten keine riesigen Flächen, sondern kleine bis mittelgroße sowie eine gute Internetanbindung. Der Flächenzuschnitt und die gute Verkehrsanbindung des Mittelhahntals ist wie gemacht für Logistikunternehmen“, fürchtet Lenck. „Dabei verfügt die Stadt laut Flächennutzungsplan über 86 ha freie Flächen und nur ein kleiner Teil davon wurde bislang vergeben“.

„In den letzten 20 Jahren wurden in Worms etwa 140 ha Land versiegelt, wobei auf einem Großteil der Fläche Logistikhallen gebaut wurden“, konstatiert Michael Leukam. Zuletzt sein im Norden der Stadt sogar ein Gefahrstofflager mit 30.000 qm Fläche mitten im Hochwassergebiet errichtet worden.

Daher sieht Leukam die bisherige Ansiedlungspolitik „als gescheitert“. Trotz eines immensen Flächenverbrauches sei Worms „in einer finanziell schwierigen Lage“. Logistikunternehmen bräuchten sehr viel Fläche, böten nur wenige und vor allem schlecht bezahlte Arbeitsplätze und seien darüber hinaus sehr konjunkturanfällig. 

„Der derzeitige Einbruch in den Gewerbesteuereinnahmen ist konjunkturell bedingt. Die Gewerbesteuern werden auch wieder steigen, wenn die Konjunktur anzieht“, zeigt sich Michael Leukam sicher. Deutlich weniger konjunkturabhängig sei nach Ansicht der Initiative hingegen die Einkommenssteuer als zweitgrößte Steuereinnahmequelle. Diese habe 2022 immerhin 38,25 Mio. Euro betragen. 

Attraktivität fördern
„Aus unserer Sicht wäre es sinnvoller, die Attraktivität von Worms als Wohnstadt zu fördern und damit die Einkommenssteuereinnahmen zu erhöhen“, so Marco Lenck. In einer Stadt, die aber ständig heißer werde, siedele sich aber auch niemand mehr an“, fasst Lenck den Hintergrund der Initiative zusammen. „Auch Worms als Einkaufsstadt wird leiden, wenn die Innenstadt bei extremer Hitze unbewohnbar wird“, betont Kerstin Janneck. „Wir brauchen mehr Aufenthaltsqualität, mehr Bäume und mehr frische Luft, statt noch mehr Beton, Abgase und schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Das wird auch den Wohlstand der Stadt fördern“, ist sie sich sicher. 

Neben der wirtschaftlichen Dimension haben die Umweltschützer vor allem das Wohl und die Gesundheit der Menschen im Blick. „Hitze macht krank, sie tötet und jeder, der die Hitzebelastung in Worms erhöht, macht sich mitschuldig. Deshalb dürfen wir die Klimaanlage von Worms nicht zerstören“, mahnt Michael Leukam.  In Deutschland seien im Vorjahr nach einer Studie über 8.000 Menschen an Hitze gestorben. Die Stadt Worms habe im Mai 2022 die Studie „Hitzevulnerable Stadtgebiete in Worms“ herausgegeben. Auch dort würden die Folgen der zunehmenden Überhitzung des Stadtgebietes untersucht.Demnach seien besonders alte Menschen, Kranke, Kleinkinder und sozial Schwache betroffen. 

Infostand am Samstag
Gerne informiert die Initiative Klimaschutz Mittelhahntal an ihrem Stand am heutigen Samstag, dem 16. September, von 10 bis 15 Uhr, beim „Park(ing) Day“ auf dem Neumarkt neben den Marktwinzern. Bei einem Gläschen Wein in entspannter Atmosphäre kommen die Aktiven der Bürgerinitiative gerne ins Gespräch. Dort ist es auch möglich Unterschriften gegen das geplante Gewerbegebiet zu leisten.

An einem der jüngsten Infostände informierten Kerstin Janneck und Iris Weiß (von links) in der Wormser Fußgängerzone. Sie konnten sich über großes Interesse freuen, wobei von den Passanten viele bereits unterschrieben hatten und/oder sich entsprechende Plakate mitgenommen hatten.Foto: Robert Lehr  

An einem der jüngsten Infostände informierten Kerstin Janneck und Iris Weiß (von links) in der Wormser Fußgängerzone. Sie konnten sich über großes Interesse freuen, wobei von den Passanten viele bereits unterschrieben hatten und/oder sich entsprechende Plakate mitgenommen hatten. Foto: Robert Lehr

 

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Geschrieben in Worms und Ortsteile

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