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  • Sa., 10. Mai 2025, 11:30 Uhr
    LANDWIRTSCHAFT: Erste Schilf-Glasflügelzikaden entdecken abermals neue Vermehrungsorte / Mögliche Schäden für Landwirte befürchtet

    Zikaden befallen Spargel und Rhabarber

    Zikaden-Nymphen an Spargel.
    Foto: Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V.

    Die ersten Schilf-Glasflügelzikaden fliegen gerade aus Rhabarber und Spargel als neue Wirtspflanzen. Das teilt das Team der Zikaden-Experten des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. aus Worms am Rhein mit. Damit haben diese Insekten besonders wertvolle und beliebte frische Gemüse-Dauerkulturen erobert. Die eingewanderten und über den Klimawandel heimisch gewordenen Tiere übertragen zwei Erreger von schweren Pflanzenkrankheiten. Für Menschen sind die Insekten und die Pflanzenkrankheiten völlig ungefährlich. Aber für betroffene Landwirte können große Schäden entstehen. 

    „Das ist eine neue Dimension der Gefährdung heimischer Gemüsearten“, erklärt Dr. Christian Lang, Geschäftsführer des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer. Die Zikaden aus den mit Hilfe von Folien- oder Vliesauflage verfrühten Spargel- und Rhabarber-Pflanzen fliegen seit wenigen Tagen aus. Von dort können sie in naheliegende Rüben- und Kartoffelfelder einfliegen und mit ihrem schädlichen Wirken beginnen.

    Zikaden weiten Wirtskreis aus

    Vor einigen Monaten erst hatte das Experten-Team aus Worms sowohl Karotten als auch Rote Bete zu Wirtspflanzen erklärt (der NK berichtete) und daraufhin begonnen, weitere Pflanzen zu beobachten. Dazu zählten auch Grün- und Bleichspargel sowie Rhabarber. Da hier unterirdische Speicherorgane wie bei Zuckerrüben oder Kartoffeln vorliegen, erwartete man, dass sich auch dort die Zikaden wohlfühlen würden. In dieser Woche ist endgültig der Nachweis von allen Entwicklungsstadien und ausfliegenden Zikaden aus mit Folienabdeckung verfrühten Dauerkulturen wie Spargel und Rhabarber gelungen.

    Aktuell sammelt das Forschungsteam auf den Feldern Tiere und hat Zelte in Spargel- und Rhabarber-Feldern zum Fangen des Ausfluges aufgestellt. „Kein Gewächshaus und kein Labor kann schneller zeigen, was wir auf dem Acker entdecken können. Die Zikaden sind allen Forschern immer voraus und überraschen uns ständig durch ihre enorme Anpassungsfähigkeit“, erklärt Lang zu den aktuellen Zikadenfängen auf Spargeldämmen. Wie lange die Zikaden schon solche Kulturen befallen, sei unklar.

    Schwere Folgen für Rhabarber

    Besonders an Rhabarber waren vielfältige Schadsymptome bereits in den Vorjahren in ganz Süddeutschland beobachtet worden. Dies hat zu starken Reduzierungen der Flächen oder sogar regional bereits zur Aufgabe des Rhabarber-Anbaus geführt. In vielen Beständen konnten auch einer oder beide der durch die Schilf-Glasflügelzikade übertragenen bakteriellen Erreger nachgewiesen werden.

    „Während für die Bekämpfung der Zikaden die Schwarzbrache bei einjährigen Wirtspflanzen als erfolgsversprechend gilt, dienen diese mehrjährigen Kulturen jetzt als dauerhafte Vermehrungsorte. Und es wird schwierig, die Zikaden in Regionen mit diesem Anbau zu bekämpfen. Gerade den betroffenen Bio-Betrieben stehen keine dafür geeigneten Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Bisher war noch unklar, ob sich die Tiere dort auch vermehren können und ausfliegen. In den letzten Wochen wurde daraus Gewissheit“, erläutert Ritz. 

    Ministerin lobt Forschung

    Die Landwirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, Daniela Schmitt, hatte Ende März erklärt, man brauche Brückenlösungen, um den Zusammenbruch der heimischen Agrarwirtschaft mit Kartoffeln, Gemüse und Rüben zu vermeiden, und dankte damals bereits den Forschungsteams in Rheinland-Pfalz und Südhessen für ihren Einsatz. Rheinland-Pfalz habe sich zum Impulsgeber der nationalen, ja sogar der internationalen Praxisforschung etabliert. Die aktuelle Entwicklung dürfte dieser Einschätzung Vorschub leisten.

    Die Entdecker der neuen Entwicklung weisen ausdrücklich darauf hin, dass dieser erste Flug der Zikaden noch kein Anlass für Pflanzenschutzmaßnahmen in konventionellen Betrieben insgesamt darstellt, da hierfür der starke Anstieg der beobachteten Tierzahlen und ein entsprechender offizieller Warnaufruf abzuwarten ist. Die meisten Zikaden kommen aus Wintergetreide, das nach Zuckerrüben angebaut wird. 

    Was wäre wenn …

    Was wäre, wenn auch Dauerkulturen wie Wein oder Obst noch infiziert werden können? Die Agrarforscher fordern daher verstärkte Anstrengungen und mehr Unterstützung der Praxisforschung, um Gegenmaßnahmen zu finden und zu erproben. Sie zeigen sich überzeugt davon, dass dies eine europäische Dimension annehmen werde und sind auch im Gespräch mit der Politik über weitergehende Maßnahmen. 

    Hintergrund:

    Der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. betreibt seit Jahren ein ausgedehntes Versuchswesen und Projektarbeit zu aktuellen pflanzenbaulichen Fragestellungen. Der Verband hat seinen Sitz in Worms am Rhein und ist aktuell an fünf verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt. Durch die Gründung einer Stiftung mit anderen Organisationen konnten wichtige Forschungsarbeiten und Promotionen gefördert werden, was auch zur Entdeckung weiterer Wirtspflanzen der Zikaden führte. 

    Die Schadwirkung der Schilf-Glasflügelzikade ist enorm und kann erhebliche Ertrags- und Qualitätsminderungen verursachen. Die Schilf-Glasflügelzikade ist seit einigen Jahren in der Zuckerrübe als Überträger der Krankheit SBR (Syndrome Basses Richesses) bekannt. Diese Krankheit entsteht durch die von der Zikade übertragenen Krankheitserreger, dem Bakterium Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus (Gamma-Proteobakterium) und dem Stolbur Phytoplasma Candidatus Phytoplasma solani (Stolbur Phytoplasma). Beide krankmachenden Erreger lösen zuckerreduzierende Symptome, Gelbfärbungen und Welkeerscheinungen in Zuckerrüben aus. Vor zwei Jahren hat das Forschungsteam aus Worms entdeckt, dass die Zikade nicht nur an Zuckerrüben eine optimale Wirtspflanze zur Ernährung und Vermehrung gefunden hat, sondern auch die Kartoffel betroffen ist. Die dort ausgelöste Krankheit heißt seitdem „Bakterielle Kartoffelknollenwelke“ und führt mitunter zu großen Anteilen nicht mehr vermarktbarer Kartoffeln durch steigende Zuckergehalte, Deformationen und Verminderung der Knollengröße.

    Aktuell werden Einbußen der Ernte und Preissteigerungen befürchtet. Die Erntemenge wird nämlich ebenfalls durch die Erreger deutlich vermindert. Auch weitere Kulturpflanzen könnten sich als Wirt für das Insekt eignen. So hat die Forschungsgruppe auch die Erkrankung von Gemüsearten als „Bakterielle Gemüsewelke“ (abgekürzt BVW, Bacterial Vegetable Wilt) benannt. Nun führt das Forschungsteam weitergehende Versuche durch, um die Ursachen und Folgen für die gesamte Landwirtschaft und Fruchtfolgen im Ackerbau besser abschätzen zu können. Circa zehn Agrarwissenschaftler sind damit beschäftigt, Verhaltensweisen oder Maßnahmen zu erkennen, die eine Bekämpfung und Verminderung der Zikadenpopulation ermöglichen können.

    Trotz großer Forschungsbemühungen gibt es bisher weder alle notwendigen Grundlagen noch breit anwendbare Lösungen für die betroffenen landwirtschaftlichen Kulturen. Diese Situation ist gefährlich, da die Zikaden-Populationen tendenziell jedes Jahr zunehmen, sich verbreiten und den verursachten Schaden vergrößern. Vor diesem Hintergrund wurde vom Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. und der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft eV (UNIKA) die Stelle einer „Koordinatorin für Forschungsnetzwerke und Wissenstransfer (ZikaNet)“ gemeinsam geschaffen. 

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